Die 5. Schweizer Plastikausstellung Biel
Marcel Joray
Skulptur 1970
Hundert Bildhauer präsentieren uns rund 200 Werke, die alle in der Zeit zwischen 1966 und 1970 geschaffen wurden.
Hundert Bildhauer sind viel für ein kleines Land! Vielleicht hätten wir einen höheren Qualitätsgrad erreicht, indem wir mit mehr Härte ausgewählt hätten. Aber wir wissen, in welchem Ausmass die Werturteile, die sich auf die Kunst im Entstehen beziehen, zufallsbedingt sein können. Eine Jury hat als erste Pflicht, Werke auszuwählen, die von Dauer sind. Aber es muss ihr auch wichtig sein, Jungen die Chance zu geben, das Versprechen einer originalen Arbeit einzulösen, mit dem Risiko, von der Zeit desavouiert zu werden.
Dies ist also der aktuelle Stand der Skulptur in der Schweiz, den wir hier zeigen, mit dem erstaunlichen Reichtum an Tendenzen und Temperamenten.
Wenn man sich die Ausstellung von 1966 in Erinnerung ruft, ist man durch das neue Gesicht dieser Ausgabe verblüfft. Gewiss sind viele Künstler ihrer Art treu geblieben und bilden bekannte und beruhigende Anhaltspunkte für den Besucher. Andere präsentieren sich im Gegenzug anders, sei es dass sie einen ausgetrampelten Pfad verlassen haben oder sich einer dieser plötzlichen, sprunghaften Mutationen unterworfen haben, die man sich von der modernen Welt gewohnt ist. Schliesslich sind mit der Waghalsigkeit der aktuellen Jugend Neuankömmlinge aufgetaucht, die sich nicht fürchten, auf Anhieb in den grössten Dimensionen zu denken.
Man wird zweifellos erstaunt sein über die grosse Anzahl an lebhaft kolorierten Skulpturen, meist in riesigem Format. Dies ist der Schweizer Beitrag zu einem weltweiten, kürzlich aufgetauchten Phänomen. Es handelt sich um Werke, die ebenso aus der Malerei wie aus der Skulptur hervorgehen.
Geschaffen wurden sie einerseits von Malern, die ein Mittel gefunden haben, um ihrer kolorierten Vision eine wirkliche Raumdimension zu verleihen, andererseits wurden sie von Malern und Plastikern gemeinsam realisiert.
Die Kunst also – im Blick unserer Zeit – köchelt, sucht sich vielleicht, ist aber auf jeden Fall in ständiger Entwicklung.
Die Jury hat sich bemüht, Werke auszuwählen, die wirklich vollendet sind, indem sie experimentelle Arbeiten auschloss, die sich noch in der Projektphase befanden oder als Skizzen existierten. Nicht, dass diese letzteren ohne Interesse wären: sie sprengten einfach nur den Rahmen unserer Anliegen. Zudem haben wir einigen Künstlern die Möglichkeit gegeben, sogenannte «environments» zu kreieren.
Wenn unsere Ausstellung der privilegierte Ort einer alle vier Jahre stattfindenden Bilanz ist, bleibt doch ihr vordergründiger Zweck, die Förderung und Unterstützung der lebendigen Kunst. Sie versteht sich als eine wirksame Form, die den Künstlern erlaubt, sich einem Publikum zu präsentieren, aber auch indem sie der Obrigkeit und Kunstliebhabern Gelegenheit gibt, die künstlerische Produktion durch Ankäufe zu unterstützen.
Eine grosse Zahl unserer Skulpturen verdienten, dass sie ihren definitiven Platz in den Strassen, den Pärken oder gar am Eingang unserer Städte finden würde. Und warum nicht entlang unserer Autobahnen oder unserer grossen Kommunikationsarterien, wie im Beispiel von Mexiko City, wo für die Olympischen Spiele der «Weg der Freundschaft», gesäumt von achtzehn monumentalen Werken, geschaffen wurde? Wir bewundern die Denkmäler der Vergangenheit, könnten wir nicht in der Gegenwart diejenigen der Zukunft schaffen?
Marcel Joray
Übersetzung Französisch-Deutsch © Béatrice Schmidt