Die 8. Schweizer Plastikausstellung Biel
Alfred H.Wyss: Volkshaus
Das Volkshaus - eine Monumentalplastik der 30er Jahre
Der Anfang
Im Kriegsjahr 1917 wurde die Baugenossenschaft "Volkshaus Biel" gegründet. Sie sollte der Arbeiterschaft eine Versammlungsstätte und einen preisgünstigen Hotel- und Restaurationsbetrieb schaffen. 1929 erhielt die Baugenossenschaft durch Volksabstimmung Baurecht und Darlehen für den Bau an der Bahnhofstrasse. Gebaut wurde zwischen 1930-32. Dass es in Biel in dieser Zeit möglich war, mit dem 1925 durchgeführten Wettbewerb für das neue Bahnhofquartier und dem Volkshausneubau ein klares und bedeutendes Bekenntnis zur Moderne abzulegen, hat mit der Weitsicht der damaligen Kommunalpolitik zu tun, welche in den gleichen Jahren eine für damalige Verhältnisse vorbildliche Strandbad- und Hafenanlage schuf und auch die General Motors nach Biel holte. Dem Fortschritt verpflichtet, orientierte man sich an zukunftsweisenden Konzepten, blickte über die Lokalgrenzen hinaus und wagte Neues.
Brückenschlag zur internationalen, modernen Architektur
Das Projekt Volkshaus umriss Architekt Eduard Lanz wie folgt:
"Es war keine alltägliche Bauaufgabe. Sie fand ihre Erfüllung durch den Architekten nicht in der blossen Erledigung bautechnischer und architektonischer Forderungen und des Zwecks schlechthin. Galt es doch einem Mittelpunkt der Bevölkerung Ausdruck und Gestalt zu geben an einem der exponiertesten Plätzen der Stadt. Dies bedeutet nicht blosse Ausdruckgeben im formalen Sinn, sondern geschah im persönlichen Miterleben der Ideale, die unsere vergangene Generation zum Kampf um die demokratische Staatsform verpflichteten, heutige und künftige Generationen aus wirtschaftlichem und kulturellem Chaos, der Planwirtschaft, der wirklichen Demokratie entgegenzuführen müssen."
Die städtebauliche und architektonische Qualität des Gebäudes beruht in der Interpretation der Dreieckssituation im Bereich Bahnhofstrasse - Aarbergstrasse. (F. Andry)
Mit dem Volkshaus Biel entstand ein Gebäude, dessen Architektur zumindest auf schweizerischer Ebene von grösster Bedeutung ist. Von der architektonischen Gliederung her lassen sich folgende Gebäudeteile unterscheiden:
- die Rotonde als auf den Guisanplatz hinausragende, eingeschossige Erweiterung
- den über dem Erdgeschoss liegenden Saaltrakt mit dem grossen Saal und den darüber liegenden Sitzungsszimmern
- der turmartige, über den Sälen liegende Hotelteil mit den Treppenanlagen.
Der Umbau soll die Qualität der ursprünglichen Architektur retten. Die Zufallssanierungen der letzten Betriebszeit werden rückgängig gemacht, Säle und Restaurant wieder ähnlich genutzt wie früher. (F. Andry)
"Während der Bau in seiner äusseren Erscheinung durch die Steigerung der Massen wirken soll, vom niedrigen Längstrakt an der Aarbergstrasse zum achtgeschossigen Hochhaus am Bahnhofplatz (heute: Guisanplatz), mit dem Treppenturmbau schroff abschliesst und durch den Kontrast der dunklen Klinkerfarbe sich abhebt, beschränkt sich die Gliederung in der Betonung der Verteilung und Gruppierung der Öffnung." (Ed. Lanz)
Damit wurde eine Gliederung erreicht, die für den "Expressionismus" - einer bedeutenden Richtung des "Neuen Bauens" - wichtig ist.
Es wird dabei klar, dass Architektur selbst als plastisches Schaffen verstanden wurde. Wie Le Corbusier es gefordert hatte, sollten primäre Formen als schöne Formen erkannt werden, da sie klar zu lesen sind. Als Elemente der Architektur wurden Licht und Schatten, Mauer und Raum bezeichnet. Ziel war der durchgestaltete Baukörper als Einheit von klaren Elementen, welche ein grosszügiges Ganzes ergeben.
Ein 50-jähriges Haus, das allen Versuchen, es räumlich zu verändern, widersteht, weil die ursprüngliche Konzeption stark, richtig und widerstandsfähig ist.
Man kann den alten Räumen neue Inhalte geben ohne dass das ursprüngliche Konzept darunter leidet. (F. Andry)
Vom Gestern zum Morgen
Nachdem die Volkshausgenossenschaft 1975 Konkurs anmelden musste, bemühte sich Gemeinde- und Stadtrat der Stadt Biel, das auf städtischem Grund stehende Volkshaus zu einem Kaufpreis von 1,6 Millionen Franken zu erwerben. Diese Bemühungen wurden anlässlich der Kreditabstimmung durch den Souverän am 24./25J September 1977 zunichte gemacht.
Nach weiteren Abklärungen und Vorprojektstudien entwickelte das Hochbauamt die Idee, das Konservatorium zu verlegen. In der Volksabstimmung vom 20.-23. Oktober 1983 hat die Bieler Bevölkerung für die Sanierung des Hauses und die Nutzung als Konservatorium einen Betrag von 8,405 Millionen gutgeheissen.
Damit ist grünes Licht für eine weiterhin öffentliche Nutzung des Hauses und insbesondere der grossen und kleinen Säle gegeben, von der neben dem Konservatorium auch das Vereinsleben der Stadt profitieren wird.
Die Musikschule im Volkshaus: das ist auch eine Verpflichtung für die Schule. Nicht mehr in der verträumten Abgeschiedenheit der Altstadt - sondern hinein ins pulsierende, gegenwärtige Leben. (F. Andry)
Die nicht gezeichneten Texte stammen von Alfred H.Wyss, Hochbauamt Biel, und sind einem längeren Text zum Volkshaus entnommen