Die 7. Schweizer Plastikausstellung Biel
Rudolf Hadorn
Zur Ausstellung des Kunstvereins Biel
Zeichnungen, Entwürfe, Druckgraphiken
Der Kunstverein hat die von der Jury der Plastikausstellung angenommenen Plastiker eingeladen, sich an der Ausstellung mit Zeichnungen, Entwürfen und Druckgraphik zu beteiligen und hat allen Künstlern eine Fläche von 1,2 auf 1,2 m zur Verfügung gestellt. Einzelnen Künstlern, deren Arbeiten besonders interessant schienen, ist nach Sichtung der eingereichten Werke etwas mehr Raum zur Verfügung gestellt worden, auch um gewisse Ausstellungsschwerpunkte zu schaffen, hingegen sind keine Werke abgelehnt worden, wenn sie den vorgeschriebenen Platzdimensionen entsprachen.
Zeichnungen und Graphik von Bildhauern haben das Kunstpublikum von jeher interessiert. Entwürfe und Werkskizzen erschliessen den Entstehungsprozess einer Skulptur und erleichtern und vertiefen das Verständnis; graphische Abbildungen einer Plastik lösen Erinnerungen aus und helfen, ein Werk unter anderem Gesichtspunkt zu sehen. Sieht man genauer zu, ist allerdings das Beziehungsfeld zwischen der Skulptur einerseits und der Widerzeichnerischen oder graphischen Gestaltung andererseits wesentlich vielfältiger. Die Ausstellung soll etwas von dieser Komplexität wiederspiegeln, die hier nicht systematisch dargestellt, sondern nur mit einigen Hinweisen angedeutet werden kann.
Zeichnen ist ein rascherer Vorgang als «ein Bild hauen» und ist deshalb das Medium der raschen Skizze, des Entwurfs; es erlaubt viele Ansätze und Versuche in kurzer Zeit, kann deshalb eine Idee vielseitiger und umfassender darstellen,
Doch ist das graphische nicht immer das leichtere Handwerk. Die Holzschnitte eines Robert Müller, die Kupferstiche von Bernhard Luginbühl zeugen vom Wider stand des gleichen Materials, das auch dem Plastiker dient, ein Widerstand, der durch den künstlerischen Formwillen über-wunden werden muss; die Arbeit mit Stichel und Platte ist eine andere Art «Bildhauerei». Umgekehrt lässt der weiche Stift des Zeichners ein Element der Poesie zu, das in so unmittelbarer Weise vom Metallplastiker nicht umzusetzen ist (Oskar Wiggli, Michel Engel).
Der Vergleich von Skulptur und Graphik ist dort besonders interessant, wo sich die beiden Arbeitsformen gegenseitig bedingen. Eines der interessantesten Beispiele liefert dafür sicher Bernhard Luginbühl, dessen plastisches und graphisches Schaffen vollständige Selbständigkeit gewonnen hat und doch in spannendster Art aufeinander bezogen ist. Die Graphik stellt bei ihm oft ein «Weiterdenken» der Skulptur dar, wobei Resultate dieser Auseinandersetzung in einer späteren Plastik wieder erscheinen können. Umgekehrt werden Formideen der Skulptur in der Graphik zu freieren und kühneren Verwendungen erweitert und so zu einem ganz neuen Erlebnis gemacht. Man kann dieses Verhältnis besonders schön an den «Tischlein-deck-dich»-Skulpturen und Graphiken ablesen.
Einen anderen Typus des Verhältnisses von Skulptur und Graphik repräsentiert das Werk Franz Eggenschwilers. Die Bildinhalte seiner Holzdrucke unterscheiden sich oft vollständig von der Formensprache seiner Objekte und Plastiken. Dennoch verbindet sie eine gemeinsame Idee, die mit dem Begriff «poetische Verfremdung des Alltäglichen» nur unzureichend umschrieben ist. Dazu prägt beide Schaffensweisen die gleiche handwerkliche Treue gegenüber dem bearbeiteten Material.
Ein gegenläufiger Prozess, der ein ähnliches Interesse verdiente, kann in der Ausstellung nur angedeutet werden: Zeichnungen, auch Malerei, die in ihrer inneren Entwicklung nach der plastischen Gestaltung rufen, Plastiken, die förmlich aus dem Bild herauswachsen. Dafür wäre die Arbeit von Spescha ein gutes Beispiel. Diese Entwicklung ist auch rückläufig belegbar, etwa am Werk Wilfried Mosers, der nach langen Jahren der Malerei räumliche Erfahrung in der Gestaltung grosser Skulpturen suchte und überzeugend fand, nun diese plastische Erfahrung aber wieder ganz ins gemalte Bild (Steinlandschaften) eingehen lässt. Von hier aus spannt sich der Bogen zu den «plastischen Zeichnungen» eines Wolfgang Häckel, die der dreidimensionalen Ausführung kaum mehr bedürfen, weil die Ironie des Bildinhalts in der Zeichnung wohl am besten zu lesen ist.
Die Ausstellung soll zum Entdecken, zum Vergleichen, zum Nachdenken anregen. In Biel vielleicht auch zum Nachdenken darüber, ob das Sammeln von Bildhauerzeichnungen und -entwürfen nicht eine sinnvolle Spezialisierung für das künftige Museum der Stadt im Rahmen der Neuhaus-Stiftung sein könnte, in der Stadt, die zur Stadt der Schweizer Plastik geworden ist.
Rudolf Hadorn