Die 8. Schweizer Plastikausstellung Biel
Rudolf Hadorn
Die neue Plastikausstellung Kunst in den Strassen - Kunst an Hauswänden Kunst, die sich ins städtische Leben einmischt Kunst, die im Wege steht.
Kunst zum Thema <Arbeit> - plastische Kunst.
Seit 1954 bietet die Stadt Biel periodisch den plastischen Künstlern Gastrecht. Sieben Ausstellungen sind vorbei, jede mit einem anderen Gesicht als die vorangegangene, jede auf ihre Weise neu. Die Vielfalt ist den Künstlern zu verdanken, deren Erfindungsreichtum immer wieder neue Überraschungen bereithielt. Zur Vielfalt trugen aber auch Veränderungen im Konzept der Ausstellung bei. Die ersten Ausstellungen vermittelten die für die 50er Jahre ganz neue Entdeckung, dass es in der Schweiz ein sehr reiches, aktuelles plastisches Schaffen gab, für das kaum Ausstellungsmöglichkeiten bestanden; spätere Ausstellungen breiteten die Vielfalt mit thematischer Akzentuierungen aus: die Eisenplastiker bekamen ihren Platz, die Farbe bemächtigte sich der Skulptur, später trat das Environnement dazu, dann wurde das Thema <Kunst am Bau> in den Mittelpunkt gestellt - mit den Schwerpunkten wechselten auch die Ausstellungsräume. Zu Beginn suchte Marcel Joray noch den geschützten Raum des Sekundarschuleareals Rittermatte, später zeigte man die Ausstellung auf dem Strandboden, dann wurde die bewohnte Stad miteinbezogen, das Kongresshaus, die Altstadt, zuletzt die Spazierwege entlang der Schuss und in den Parkanlagen.
Veränderungen gehören zur Plastikausstellung dazu, sie kann nur leben, wenn sie sich entwickelt.
Keine bisherige Ausstellung hat so kompromisslos den städtischen Raum als Ambiente gesucht, wie es die diesjährige, achte Ausstellung tut.
Nach der letzten Ausstellung im Jahre 1980 war den Organisatoren in Biel klar, dass mit den vorhandenen Mitteln die traditionelle Form der grossen Gesamtschau nicht mehr zu leisten war. Man überlegte, wie man die Ausstellung kleiner, und überschaubarer machen und gleichzeitig stärker auf die Künstler konzentrieren konnte, ohne den repräsentativen Charakter aufzugeben. Dabei war zu bedenken, dass in der Zwischenzeit an vielen Orten Plastikausstellungen zu sehen waren, darunter solche internationalen Zuschnitts wie in Basel und andere, die in mehr zufälliger Art Werke aus der ganzen Schweiz präsentierten. Biel sollte mit einem neuen Konzept seine Rolle als <Vorort der Schweizerplastik> weiter spielen.
Für das diesjährige Konzept ist als künstlerischer Leiter Niklaus Morgenthaler verantwortlich.
Für ihn war von vornherein klar, dass eine schöne, geschmackvolle und alle Kunstrichtungen gerecht berücksichtigende schweizerische Skulpturenschau künstlerisch fragwürdig und organisatorisch nicht zu bewältigen sein würde. Statt dessen hat er eine Ausstellung geplant, die klar definierte Ansprüche an den Künstler stellte:
Die Ausstellung soll sich in die städtische Umwelt integrieren, die Werke sollen auf diese Situation bezogen konzipiert und geschaffen werden und sich zudem mit dem Thema <Arbeit> auseinandersetzen.
Damit war ein Künstlertypus angesprochen, der seine Gestaltungsabsichten nicht in der Stille des Ateliers realisiert, sondern sich im öffentlichen Raum ausdrückt, der auf die Umwelt reagiert, sie beeinflussen, verändern und gestalten will, um damit einen Beitrag zu einem bewussteren Erleben der eigenen Umwelt zu leisten.
Das ist kein Argument gegen die Berechtigung von Atelierkunst. Nach wie vor gibt es auch heute gültige Kunstwerke, die im Atelier entstehen, durch sich selber wirken und in einem neutralen Raum oder einer gefälligen Parklandschaft zur Geltung kommen. Das ist bloss eine Option, diesmal den Akzent anders zu setzen.
Zum Konzept gehörte es, dem Künstler ein Thema zu stellen. Was in früheren Zeiten selbstverständlich war, wirkt heute beinahe als Anmassung. Wer hat das Recht, dem Künstler Vorgaben zu machen? Engt nicht jedes Thema die künstlerische Freiheit ein, von der man heute das ganze Heil erwartet? Gewiss schränkt ein Thema ein; dafür schafft es auch Beziehungen der verschiedenen Werke untereinander. Einschränkung kann in einer anderen Richtung auch befreiend wirken.
Der Begriff Arbeit hat heute viele Facetten.
Sie wird dem zum Problem, der zuviel davon hat; gleichzeitig gibt es andere, die darunter leiden, keine zu haben; einige sind süchtig danach, andere realisieren in ihr den Lebenssinn schlechthin; viele leiden daran, nicht die Arbeit tun zu dürfen, die sie möchten; die einen flüchten in die Arbeit, andere fliehen vor ihr; die einen geben Arbeit, andere nehmen sie, - die Liste der Möglichkeiten lässt sich fast beliebig erweitern.
Arbeit künstlerisch zu gestalten ist künstlerische Arbeit. Vielleicht wird das für viele zur Entdeckung: dass Künstler hart zu arbeiten haben; dass Resultat und Lohn nicht immer so sicher sind wie für andere Arbeitende.
Deshalb gehört es zum Konzept, die Künstler für ihre Arbeit zu bezahlen. Noch in keiner Ausstellung ging ein so grosser Teil des Budgets an die Künstler. Die ersten Projektbearbeitungen wurden eher symbolisch honoriert, für die Ausführung hingegen stehen jedem Künstler 5000 bis 9000 Franken zu. Doch nicht nur Geld stand zur Verfügung. Ebenso wichtig war dem künstlerischen Leiter, den Künstlern Zeit zu geben für die Bearbeitung, Entwicklung und das Ausreifen der Projekte. Dazu gehörten Besuche, Gespräche, Diskussionen.
Kunst als Produkt von Auseinandersetzungen : mit dem Ort, dem Raum, mit Menschen, später mit dem Material und bald mit den Reaktionen des Publikums.
Rudolf Hadorn, Präsident der Ausstellungskommission