Die 3. Schweizer Plastikausstellung Biel
Marcel Joray
Die Skulptur 1962
1954, 1958, 1962... Alle vier Jahre findet in Biel die Freilicht-Skulpturenausstellung statt. Eine Tradition wurde geboren und für die Künstler ist die Ausstellung von Biel mittlerweile ihre «Biennale» geworden.
Man muss es den Behörden der Stadt und den Sponsoren und Leihgebern hoch anrechnen, dass sie diese breit gefächerte, wiederkehrende Auseinandersetzung mit Kunst ermöglichen, ohne dass es die Künstler oder das Publikum etwas kostet. Man muss den eidgenössischen Instanzen danken, die Kunstwerke erwerben und die die künstlerische Arbeit im Bereich der Skulptur unterstützen.
Die Ausstellung von 1962 umfasst 150 von einer Jury bestimmte Werke aus Einsendungen von 130 Künstlerinnen und Künstlern. Sie zeigt den Ist-Zustand der Skulptur in der Schweiz (alle Werke wurden im Laufe der letzten vier Jahre geschaffen) und eine Vielzahl ihrer aktuellen ästhetischen Strömungen. Es finden sich bestätigte Meister neben Neuentdeckungen. Es gibt Künstler, für die der menschliche Körper im Zentrum ihrer künstlerischen Auseinandersetzung steht, deren Werke vom Klassizismus geprägt oder von Expressionismus oder Surrealismus inspiriert sind oder aber so frei sind, dass sie an die Abstraktion grenzen. Es gibt die Werke von Bildhauern, die einzig an ihre Vorstellungskraft glauben und mit ihren Steinblöcken oder mit ihren geschmiedeten oder zerschnittenen Eisen den Raum erobern. Es gibt die Tradition und es gibt die Experimente, von denen wir nicht wissen, ob sie ihre Zeit überdauern. Es gibt sogar die karikaturistische oder ironische Skulptur, denn der Humor hat auch seinen Platz in einer Kunstausstellung. Alle Aspekte sind wichtig und ergänzen sich und ergeben so ein umfassendes, wie wir glauben, richtiges Bild, von dem, was unsere Künstler als Bestes realisiert und geschaffen haben: die Synthese der lebendigen Kunst.
Das Ganze wird die Diskussion anregen. Es wird die einen zum Schmunzeln und die anderen zum Erstarren bringen. Das ist gut so. Einzig Gleichgültigkeit wäre bedauerlich. Der Besucher muss nicht alles gut finden, aber jeder wird hier einerseits die Ordnung, das Mass oder die Strenge, andererseits die Poesie, die Fülle oder die Sinnlichkeit entdecken, je nach seiner eigenen Empfindung und nach seinen eigenen ästhetischen Grundsätzen. Jeder wird hier Gedankenmaterial finden, über Künstler und unsere Zeit, denn der Künstler zielt letztendlich nur darauf ab, sich zu unserer Zeit auszudrücken und zu äussern.
Eine Tradition ist geboren. Dies birgt Gefahr, denn die Tradition ist der Feind der Kunst und unsere Ausstellungen wollen nicht angepasst sein. In Zukunft wird man also weitere Neuerungen einführen müssen. Die neuen Standorte verlangen Werke, die für Grossräume erdacht wurden, und erfordern unweigerlich Skulpturen in Bewegung und Skulpturen auf dem Wasser. Für 1966 möchten wir deshalb unseren besten Künstlern die materiellen Mittel zur Verfügung stellen, damit sie grosse Ideen verwirklichen können. Derart wird unsere Ausstellung in der Tat zu einem Experimentier- und Konfrontationsfeld, wie wir es uns wünschen.
Wer wird uns dabei unterstützen?
Marcel Joray
Übersetzung Französisch-Deutsch © Béatrice Schmidt